Blue Flower

Ja, wo kommen denn nur diese Gefühle her?

 

„Wie satt und dumpf Glas doch klingen kann…“ Ich versuche in meinem Latte Macchiato den Milchschaum umzurühren. Er wehrt sich ein wenig, fast als ob er aus Schaumstoff bestünde und ich ihn besser schneiden sollte. Während der Löffel gegen die Glaswand stößt, fallen sie um – meine Krücken, die ich mit Nonchalance gegen die Theke gelehnt hatte. Ein plapperndes Scheppern, fünf Augenpaare erheben sich kurz und mitleidig und vergraben sich eilig wieder. Und da stehen sie da wie aus dem Nichts: Zwei Kinder. Vielleicht sieben und acht Jahre alt. „Darf ich Ihnen helfen?“ Eine Frage wie in einem Mini-Chor, verbunden mit erwartungsfrohem Strahlen in den Augen. Es leuchtet mir blitzeblanke Hilfsbereitschaft entgegen. Den ersten Reflexgedanken „Es geht schon…“ erfolgreich unterdrückend lächle ich sie an und sage: „Gerne. Vielen Dank dafür, ihr Zwei.“ Und ich fühle, wie sehr es die beiden ehrt, dass ich ihr Tun annehme. Dieser warme Moment des Respekts – er erhebt sich und schwebt wie ein sanftes Parfum durch den Raum, verlangsamt sich um stille Sekunden und legt sich leise nieder. Da hebt eine Frau ganz hinten am Tisch ihren Kopf. Sie lächelt. Genau dasselbe Lächeln wie die Dame am Rollator, die beobachtend stehen geblieben war. Und es ist wunderbar warm in mir.

 

Welche Gefühle erleben wir mit Texten? Es sind jene, die wir insbesondere als Gedankenbilder geschenkt bekommen. Dazu müssen sie für uns nachvollziehbar sein. Und ebenso muss ein Leser sie bereitwillig annehmen. Denn zu Gefühlen können wir Leser nicht drängen.

Je ehrlicher, authentischer und respektvoller wir mit unserer Leserschaft umgehen, desto mehr wird sie uns verstehen und annehmen.